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Der Pastor, die eierlegende Wollmilchsau

  • Sami Eldaour
  • 17. März 2023
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 13. Juni


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Das Bild des Pastors hat sich in den vergangenen 20-30 Jahren deutlich verändert. Vom klassischen Hirten einer Gemeinde ist er zu einem Gemeindemanager geworden. Früher hat er als Allrounder kirchliche Angelegenheiten mehrheitlich alleine gestemmt. Mittlerweile jedoch hat er viele Bereiche und Aufgaben an festangestellte oder ehrenamtliche Mitarbeiter abgetreten. Auch in der Kirche ist jetzt Teamwork angesagt. Dadurch wurde der Pastor deutlich entlastet. Ausserdem ist es auch zu einer schönen Bereicherung gekommen – man ergänzt sich. Trotz delegieren, Aufgabenumverteilung und Abtretung von Dienstbereichen ist der Pastor jedoch immer noch enorm gefordert. Denn neu dazugekommen sind jetzt Dinge wie: Mitarbeiterführung (Mitarbeitergespräche, Coaching, Delegation und Einarbeitung in Bereiche und Aufgaben, Teambuilding, Weiterentwicklung von Teams, Organisationsfähigkeit, Kommunikationsmanagement und nicht zuletzt natürlich Konfliktmanagement. Das bedeutet «unter dem Strich»:

Die Aufgaben der Pastoren sind nicht in erster Linie weniger geworden, sie haben sich nur verschoben.

Dies bestätigt auch eine Untersuchung vom Francis A. Schaeffer Institute of Church Leadership Development, wonach 72% der Pastoren zwischen 55 bis 75 Stunden pro Woche arbeiten. Dieses Ergebnis ist zwar schon einige Jahre alt (2001). Nach einer neueren Untersuchung aus dem Jahr 2016 arbeiten aber immer noch 54% der Pastoren mind. 55 Std. und mehr pro Woche (18% mehr als 70 Std./Woche).

Dies kommt nicht von ungefähr. Oft sind sie enorm gefordert oder stehen unter Dauerstress. Es fängt schon bei etwaigen Stellenbeschrieben an. Kürzlich musste ich bei einem Inserat schmunzeln, weil es eben genau diese Thematik auf den Punkt gebracht hat.


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Übergrosse Anforderungen und idealistische Erwartungen wirken sich folgendermassen aus. Ein paar Beispiele:

  • 65% der Pastoren und ihren Familien haben das Gefühl, sie leben in einem Glashaus und haben Angst, die hohen Erwartungen der Gemeinde nicht erfüllen zu können. Viele Familien zerbrechen am «Glashaus-Syndrom».

  • 84% der Pastoren denken, sie müssten der Gemeinde 24h pro Tag an 7 Tagen die Woche erreichbar sein resp. zur Verfügung stehen.

  • 78% berichten, dass ihre Ferien oder persönliche Zeit durch Pflichten im Dienst oder diesbezügliche Erwartungen unterbrochen werden.

  • 44% nehmen sich keinen freien Tag.

  • 80% glauben, dass der pastorale Dienst ihre Familien negativ beeinflusst hat. Viele Kinder von Pastoren gehen wegen dem, was die Kirche ihren Eltern angetan hat, nicht mehr zur Kirche oder verlieren den Glauben (vor allem, wenn als Folge des Dienstes Scheidung noch eine Rolle spielt. (bei 25% der Pastoren resp. 38% je nach Umfrage).

  • 35% von ihnen berichten, dass die Forderungen der Kirche es nicht zulassen, dass sie Zeit mit ihrer Familie verbringen.

  • 70% der Pastoren sagen, dass sie ein tieferes Selbstbild von sich selbst haben, als zum Zeitpunkt, wo sie mit dem Dienst begonnen haben.

  • 80% der Pastoren und 84% ihrer Ehefrauen sind in ihrer Rolle entmutigt.

  • 40% von ihnen haben mindestens 1x pro Monat einen ernsthaften Konflikt mit einem Gemeindeglied.

Die Liste liesse sich noch weiter fortsetzen oder ergänzen. Die Herausforderungen und Probleme, die daraus entstehen:

  • 54% der Pastoren fühlen sich den Anforderungen des Dienstes nicht gewachsen und sind überfordert

  • 50% fühlen sich so entmutigt, dass sie den Dienst am liebsten verlassen würden

  • 52% sind überarbeitet

  • 75% sind deutlich bis extrem gestresst

  • 26% der Pastoren sind übermüdet

  • 35% kämpfen mit Depressionen, eine Untersuchung von 2006 gibt an, dass 70% konstant gegen Depressionen ankämpfen

  • 30% stehen vor einem Burnout

  • Über 50% der Pastoren leben ungesund, haben Übergewicht und treiben keinen Sport als Ausgleich

  • Andere Statistiken sprechen von 57% der Pastoren, welche sich entmutigt, gestresst und ausgelaugt fühlen.


Die Folge davon ist, dass nach 10 Jahren Gemeindearbeit schon bereits 60-80% der Pastoren ihren Dienst vorzeitig abgebrochen haben (Untersuchung von Dr. Richard J. Krejcir, Francis Schaeffer Institute). Andere Umfragen sprechen gar von 80% Abbrüchen innerhalb von fünf Jahren (George Barna, Focus on the Family und Fuller Seminary). Und nur 10% von ihnen beenden ihren Dienst mit der Pensionierung. Oder bildhaft formuliert: Nur einer von zehn Pastoren (andere Untersuchungen sprechen von einem Bruchteil der Pastoren) überschreitet die Ziellinie seines Dienstes.

Wohlgemerkt, diese Zahlen sind nicht einfach vermutet oder daher geredet, sondern sie stammen vielmehr von Fachleuten oder aus Instituten, die sich auf Gemeindebau und -entwicklungen fokussiert haben. Die erwähnten Untersuchungen und Statistiken stammen von:

1) David Ross and Rick Blackmon’s “Soul Care for Servants” workshop reported the results of their Fuller Institute of Church Growth research study in 1991 and other surveys in 2005 and 2006.

(2) Francis A Schaeffer Institute of Church Leadership Development research studies in 1998 and 2006. Sowie einer erneuten Untersuchung von 2016

3) Pastors at Greater Risk by H.B. London and Neil B. Wiseman, Regal Books, 2003.

4) Focus on the Family 2009 survey of 2,000 pastors.

5) Leadership Journal poll of readers, 2013, auf www.expastors.com

6) J.R. Briggs, Why Half of All Pastors Want to Quit Their Jobs, June 25, 2014


Als ich diese Zahlen das erste Mal gelesen habe, dachte ich: Das sind Zahlen aus den USA. Dort ist alles ein wenig anders oder ausgeprägter.

In der Folge habe ich das Gespräch mit verschiedenen Pastoren gesucht Dabei kam heraus, dass die Zahlen in Deutschland und der Schweiz nahezu identisch sind mit denjenigen aus Amerika sind. Ein Pastor hat mir beispielsweise mitgeteilt, das bei einem Klassentreffen, fünf Jahre nach dem Studium, nur noch 20% seiner ehemaligen Mitstudenten im Dienst tätig gewesen sind. Ein anderer hat mir erzählt, dass er sich selbst mal lange und ausführlich mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Die Zahlen seien nicht übertrieben oder «amerikanisch gefärbt». Vielmehr decken sie sich nahezu mit denjenigen aus den USA.

Welche von ihren ehemaligen theol. Studienkollegen oder Pastoren, die sie von früher her kennen, steht noch im Dienst? Als ich mir selber diese Frage stellte, hat es mich ernüchtert.

Richard Krejcir vom Francis A Schaeffer Institute of Church Leadership Development hat die ausführlichsten von allen Untersuchungen gemacht. Er hat sie mit einem zeitlichen Abstand noch zweimal wiederholt. Resümierend sagte er: «Viele Pastoren – ich glaube über 90 Prozent – ​​beginnen mit einem echten Ruf von Gott, mit Leidenschaft und Hingabe. Sie haben dafür auch Ausdauer im Glauben. Doch dann passiert etwas und «ihr Zug der Leidenschaft und Hingabe für den Dienst entgleist.»

Eine neue Untersuchung (29. November 2021) vom Barna Institut kommt zum Ergebnis, dass sich 38% der Pastoren überlegen, ihren Dienst aufzugeben. Die weltweite Corona-Pandemie und die damit einhergehende Ausnahmesituation - auch für die Gemeinden - brachte viele Pastoren in Überlegungen (Umsetzungen) an ihre Belastungsgrenze. Laut Edify leaders, einem Dienst, der Menschen im geistlichen Dienst unterstützt, war es noch nie so schlimm (Oktober 2021).

Diese Zahlen und Ergebnisse sind ernüchternd und schockierend. Doch ich habe diese ganz bewusst und ohne grosses Herumschweifen aufgelistet. Es ist meine Überzeugung, dass die meisten Christen keine Ahnung davon haben, welche Tragödien oder tragischen Entwicklungen sich im Hintergrund, oft leise oder auch schleichend bei Pastoren abspielen. Ich glaube, wir müssen darüber reden und solche Ergebnisse offen machen. Und noch viel wichtiger ist natürlich, dass wir diese Punkte angehen, lösen oder überwinden können.

Wie schon erwähnt, ist es mir auch deshalb ein Anliegen, Pastoren und Leiter in geistlicher Verantwortung zu unterstützen. Gerade auch für sie sollen die Eckpfeiler von metaserve fördern-fordern-freisetzen durch Coaching und Begleitung voll zur Geltung kommen. Solltest du dich beim einen oder anderen Punkt erkennen, ermutige ich dich von ganzem Herzen, nicht mehr länger damit zu leben, sondern es anzugehen. Lasse es nicht länger in deinem Dienst gewähren, bis auch dein Zug entgleist. Die Gruppe der Pastoren soll wieder deutlich grösser werden, welche die Ziellinie der Pensionierung überquert und dazu sollst auch du gehören.

Zum Schluss noch ein paar Fragen für dich zur Selbstreflexion und zur weiteren Vertiefung. Arbeite die Fragen nicht wie eine Checkliste durch, sondern mache es vielmehr in einer betenden Haltung. Nimm dir soviel Zeit dafür, wie du brauchst - auch wenn es doch einige Fragen sind, ich weiss. Lasse Gott in dein Leben reden mit der Bereitschaft, seinen Finger auf den einen oder anderen Punkt legen zu dürfen.


1. Bist du als Pastor glücklich und erfüllt?

Eine Liste zu erstellen, in welchen Bereichen dies zutrifft und wo nicht, wäre nützlich.

2. Fühlst du dich von der Gemeindeleitung/Älteste verstanden und unterstützt?

Oder kommen an Sitzungen/Treffen mit dir oft Kritik, Durchsetzungsvermögen und Konflikte zutage?

3. Stehen die Gemeindeglieder hinter dir und folgen dir als ihr Hirte?

Oder was dominiert mehr: Vertrauen und Umsetzung oder Hinterfragen und Kritik?

4. Erhältst du einen angemessenen Lohn resp. Wie steht es um deine Finanzen?

5. Wie würdest du die derzeitige Beziehung zu deiner Frau und deinen Kindern beurteilen?

Und wie würde deine Familie antworten, wenn sie diese Frage beantworten müsste?

6. Wie viele Std./Woche arbeitest du? Liegt das für dich und deine Familie noch im Rahmen?

7. Was tust du konkret, um den herausfordernden Dienst als Pastor oder Leiter in einem geistlichen Dienst zu meistern?

Wie erholst du dich? Was tust du dir zugute?


Was ist bei dir jetzt dran und wie willst du es angehen? Setze dir einen Zeitrahmen und weihe eine Person des Vertrauens in dein Vorgehen ein. Bei aufkommenden Fragen oder Gedanken kannst du mich mich gerne kontaktieren.

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